Erklärungen zu Reaktionen auf unsere Ausstellung „Transparenz“ in der roten Telefonzelle.

Ziel erreicht: Die Ausstellung in der roten Telefonzelle zum Thema „Transparenz“ führt genau zu der öffentlichen Diskussion, die wir erreichen wollten. Auch die Stadt Mindelheim hat im Wochenkurier und der Mindelheimer Zeitung darauf reagiert. Klar kann die Stadt nur das umsetzen, was der Stadtrat beschließt. Aber in den Äußerungen kommt eine Haltung deutlich durch, die sagt: Wir wollen bei den Mindestanforderungen bleiben und sehen keinen Anlass für eine weitere Öffnung. Uns wird auch vorgeworfen, wir würden „Zoff anzetteln“. Wir wollen die Argumente mal durchgehen und schauen, wie man zu Lösungen kommen kann.

 

Kein „Angriff“ - 
Gemeinsame Lösungen sind unser Ziel

Erst einmal wollen wir klarstellen, dass es uns nicht um einen „Angriff“ gegen die Stadtverwaltung, den Stadtrat oder sonst wen geht. Wir kritisieren mit einer in der Tat zugespitzten, satirischen Kunstaktion einen Zustand, der in unseren Augen kritikwürdig ist und den wir gemeinsam mit den Beteiligten ändern wollen: Es gibt zu viele Hürden, um sich in der Lokalpolitik schnell, ungehindert und leicht zugänglich entsprechende Informationen zu besorgen, um zu wissen, was gerade wie von wem diskutiert wird. Und genau das ist für die politische Teilhabe in einer Demokratie sehr wichtig: informierte und interessierte Bürger.

 

Warum haben wir keinen Antrag gestellt?

Eine öffentliche Diskussion über das Thema ist ebenso wichtig, wichtiger als sofort einfach einen Antrag dazu im Stadtrat zu stellen. Denn: Es gab bereits 2014 und 2020 Anträge, die sich mit dem Thema befasst haben. 2014 hat Stadtrat Josef Doll einen Antrag zur Veröffentlichung der Verlaufsprotokolle gestellt, genau wie wir es jetzt 11 Jahre später fordern. Dieser wurde damals einstimmig (also auch vom Beantragenden) abgelehnt. Hauptgründe: Datenschutz und Sorge vor Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Eine Arbeitsgruppe, die Art und Umfang zukünftiger Protokolle erarbeiten sollte, wurde vorgeschlagen. Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe liegen bis heute nicht vor. Daher ist unser Ansatz: mit der Telefonzellen-Aktion die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen und so eine Diskussion anzuregen, die zeigt, welche Argumente, Wünsche, Sorgen und Vorstellungen es zu dem Thema gibt. Und dann mit diesem Hintergrund, einen erneuten Antrag ins Auge fassen.

 

7,50 € pro Anforderung von Protokollen keine Hürde?

In ihrer Stellungnahme verteidigt die Stadtverwaltung die 7,50€ Gebühr, die bei der zweiten Anfrage nach ausführlichen Protokollen anfällt: „Diese Gebühr solle keine Hürde darstellen, sondern sei durch das kommunale Abgabengesetz geregelt“, heißt es in der Stellungnahme im Wochenkurier. Was außer einer Hürde sind 7,50€ für eine Mail mit Protokollen im Anhang, die eh eigentlich öffentlich sind? Zumal die Stadt laut Bayerischer Gemeindeordnung auch nicht dazu verpflichtet ist, diese Gebühr zu erheben. In dieser heißt es in Art. 54, in dem es um Protokolle geht: „Für die Fertigung der Kopien nach Satz 2 können die Gemeinden Kosten nach Maßgabe des Kostengesetzes erheben.“ KÖNNEN nicht MÜSSEN. Man könnte die Gebühr also auch fallen lassen, gerade, wenn es wirklich so ist, dass man die Anfragen nach Protokollen im Jahr anscheinend an 10 Fingern abzählen kann und der Verwaltungsaufwand entsprechend gering ist.

 

Die Sitzungen live mitzuerleben, ist die beste Informationsquelle

Und klar, es ist immer besser, sich die Sitzungen und Diskussionen live vor Ort anzuschauen, aber es hat halt nicht jede/r immer Zeit, montags um 18.30 eine teils mehrstündige Sitzung zu besuchen. Gerade Familien mit kleinen Kindern, älteren und eingeschränkten Menschen ist der Besuch der Sitzung nicht immer ohne weiteres möglich. Wir finden, dass sich jede/r selbst aussuchen können sollte, wie er sich informieren kann und will, wenn entsprechende Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Zudem wird auch nicht offensiv und leicht auffindbar zu den Sitzungen eingeladen, die Themen und Beschlussvorlagen vorab veröffentlicht etc. Die Presse berichtet oft über die Tagesordnung, aber wenn ich keine Zeitung abonniert habe, bekomme ich das nicht mit. Auch hier fehlt es an Transparenz, die aber zur Begeisterung und Information der Bürger für die lokalen Themen wichtig wäre.

 

Persönlichkeitsrechte der Stadtrats-/Verwaltungsmitglieder müssen geschützt werden?

Ja klar: Persönlichkeitsrechte aller Beteiligten müssen möglichst weit geschützt werden. Aber als Stadtratsmitglied ist man nun mal in einer Wahl auch als eine Art gewählter Vertreter der Bürgerinnen und Bürger in den Stadtrat gesandt und steht in gewisser Weise mehr in der Öffentlichkeit. Die Bürgerinnen und Bürger haben - nicht nur vor Wahlen - auch das Recht zu erfahren, wie ihre gewählten Vertreter handeln und mit welchen Argumenten sie abstimmen. Klar, im Internet und mit Technologien wie Künstlicher Intelligenz (KI) lauern Gefahren. Aber wenn man nur das Negative sieht und nicht mehr die positiven Auswirkungen in den Fokus nimmt, kann man nicht modern und zukunftsgerichtet handeln. Wenn wie in der Stellungnahme der Stadt die Befürchtung herrscht, dass KI anhand der ausführlichen Protokolle ein Persönlichkeitsprofil eines Stadtratsmitglieds erstellen kann, aus dem ersichtlich ist, wie oft er oder sie an einer Sitzung teilgenommen hat, ist das ja erstmal nichts Schlimmes. Auch das ist für Bürger ja gut zu sehen, wie ernst es der eigene Kandidat/die eigene Kandidatin mit seiner/ihrer Aufgabe nimmt. Dass Krankheit auch ein Grund für Fehlen sein kann, ist klar. Das könnte man aber - wenn man das möchte - im Protokoll hinterlegen, ob jemand entschuldigt (und warum) oder unentschuldigt abwesend ist.

 

Selbst veröffentlichte Verlaufsprotokolle sind die beste Quelle - auch gegen Falschinformation

Wenn das aber der Punkt ist, warum keine Diskussionsprotokolle veröffentlicht werden, kann man den Part „Anwesend/abwesend“ auch einfach komplett weglassen in den Protokollen. Darum geht es ja nicht, es geht um den Verlauf der Diskussion unter den Anwesenden. Man kann in der Darstellung der Protokolle durchaus an mehreren Stellen Kompromisslösungen finden. Und wie oft ist es schon vorgekommen, dass Diskussionsprotokolle von Stadtratssitzungen Anlass für groben Unfug waren? Uns ist kein wirklich bedeutendes Beispiel bekannt. Wenn man sich als Privatperson oder Stadtrat etc in sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram, WhatsApp und Co bewegt, mit dem Handy zahlt und seine Routen mit google plant, seine Einkäufe über Onlineshops erledigt etc, ist man eh komplett gläsern. Da können noch ganz andere Profile erstellt werden, als mit Stadtratsprotokollen. Von der Stadtverwaltung selbst geschriebene, durch die Stadträte redigierte und abgesegnete Protokolle, die öffentlich zugänglich sind, sind in unseren Augen die beste Quelle für Informationen, auch um Falschinformationen entgegenzuwirken. Und eine Quelle für den schnellen Überblick über die wichtigsten Infos aus dem Stadtrat sind sie allemal - gerade wenn man die Sitzung mal nicht besuchen kann.

 

Warum nicht dem Vorbild anderer Städte folgen?

Verlaufsprotokolle aus öffentlichen Stadtratssitzungen sind ja auch nur EIN Teil von Transparenz. Andere bayerische Städte gehen noch viel weiter. Die Stadt Pfaffenhofen an der Ilm (ca 27.000 Einwohner) zum Beispiel ist vorbildlich aufgestellt in Sachen Transparenz. Sie bietet bereits seit 13 Jahren (!) einen Livestream aus dem Stadtrat an. Bewirbt diesen und die Themen mit den Beschlussvorlagen vor jeder Sitzung auf Plakaten, in den lokalen Medien und in ihren eigenen Social Media Kanälen. Wenn man keine Zeit hat, vor Ort der Sitzung zu folgen, weil man zB die Kinder versorgt, kann man den Livestream bequem nebenher laufen lassen. Sollte das auch nicht gehen, archiviert die Stadt die Livestreams für ein paar Wochen und man kann mit Sprungmarken direkt zu den Themen gelangen, die einen interessieren und die Diskussion und den Beschluss verfolgen. Das ist natürlich aufwändig und kostet ein bisschen was, aber der dortigen Stadtverwaltung und dem Stadtrat ist Transparenz und das Mitnehmen der Bürger bei Entscheidungen eine Herzensangelegenheit und den Aufwand wert.

 

Transparenz als Herzensangelegenheit sehen

So weit muss man in Mindelheim ja nicht gleich gehen. Aber das Thema Transparenz mehr als Herzensangelegenheit zu sehen und mit den Verlaufsprotokollen im Netz anzufangen, wäre der richtige Schritt! Wir als team Mindelheim wollen gemeinsam mit Stadtverwaltung und Stadtrat an einer Lösung arbeiten und nicht gegeneinander.